Die Eröffnung des Café Exils 1995 gegenüber der zentralen Ausländerbehörde Hamburgs war eine Reaktion auf die faktische Abschaffung des Asylgrundrechts zu Beginn der 1990er Jahre. 30 Jahre später ist das Café Exil immer noch politisch und finanziell unabhängig. Es verurteilt aufs Schärfste die Flüchtlingspolitik des Hamburger Senats und fordert eine Umkehr zu menschenwürdigen Bedingungen für Schutzsuchende und Migrant*innen.
Die Gründung des Café Exils durch verschiedene antirassistische Gruppen 1995 war eine Reaktion auf die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl 1993. In unmittelbarer Nähe der zentralen Hamburger Ausländerbehörde gelegen, stellt das Café Exil eine niederschwellige Anlaufstelle zur Unterstützung und Beratung von Flüchtlingen und Migrant*innen dar und versteht sich als politisches Projekt gegen institutionellen Rassismus. Trotz wiederholter Existenzschwierigkeiten ist es bis heute gelungen, unabhängig zu bleiben und sich rein durch Spenden zu finanzieren. Die Mitarbeitenden sind ehrenamtliche Aktivist*innen, die ihre politische Haltung zum Themenkomplex Migration und Rassismus eint.
Großer Unterstützungsbedarf
30 Jahre nach seiner Gründung ist die Beratungsstelle frequentiert wie nie zuvor. „Die allermeisten Menschen, die unseren Rat suchen, leben in unsicheren Aufenthaltsverhältnissen und den damit verbundenen Problemen für ihre Lebensgestaltung“, erklärt Melli Cagic, Ehrenamtliche im Café Exil. Und weiter: „Anstatt den Aufenthaltsstatus zu verfestigen und Menschen aus Drittländern eine selbstständige Lebensführung mit Arbeitsaufnahme und freier Wohnortwahl zu ermöglichen, verschärft die besonders restriktive Auslegung der Hamburger Behörden einer ohnehin menschenfeindlichen Rechtslage die Lage der Betroffenen kontinuierlich.“ Hinzu kommt, dass die für Geflüchtete zuständigen Behörden ihren Aufgaben systematisch mangelhaft und unprofessionell nachkommen. Von den vielen Negativbeispielen dafür sind neben der Unterbringung in Camps oder dem Abschiebeknast in Glückstadt aktuell die Bezahlkarte (SocialCard) und die zunehmenden Abschiebungen zu nennen.
Die sogenannte SocialCard ist nicht sozial, sondern ausgrenzend
Seit Anfang 2024 erhalten Geflüchtete als Bezieher*innen von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz eine sogenannte SocialCard, eine Prepaid-Bezahlkarte von VISA. Diese „ermöglicht Ihnen den bargeldlosen Empfang und die kontrollierte Nutzung Ihrer Asylleistungen“ laut Behörde, bedeutet jedoch in Wahrheit eine massive Einschränkung: Es kann nur dort im stationären Handel eingekauft werden, wo die speziellen Visa-Debit-Karten akzeptiert werden. Damit entfallen viele kostengünstige Einkaufsquellen wie Flohmärkte und der kleinere Einzelhandel. Die Nutzung der SocialCard im Online-Handel ist nicht möglich, Überweisungen ebenfalls nicht in der Voreinstellung, und monatlich können lediglich 50 Euro (pro Erwachsenen, pro Kind 10 Euro) Bargeld abgehoben werden. Cagic sagt: „Die SocialCard ist eine Maßnahme, die geflüchteten Menschen das Leben erschwert und rassistische Diskurse um angeblichen Sozialleistungsbetrug bedient. Sie ist ein teures und ineffizientes Restriktionsinstrument, das willkürliche Eingriffe durch die Behörden ermöglicht und auf andere Bevölkerungsgruppen ausgeweitet werden kann, wie es derzeit bereits laut angedacht wird.“
Behördenpraxis systematisch mangelhaft
Die Überweisungsfunktion können sich SocialCard-Inhaber*innen freischalten lassen laut Behörde. De facto findet das aber nahezu niemals statt. Der Freischaltungsantrag ist hochschwellig über eine komplizierte Website gestaltet, geht ein Antrag durch, vergehen Wochen bis zu einer Antwort, welche nahezu durchgehend negativ ausfällt. Kein Einzelfall, wie Cagic erklärt: „Betroffene berichten von vielfältigen Problemen: Ansprechpartner*innen sind unklar oder durchgehend nicht erreichbar, Bearbeitungszeiten sind extrem lang, um damit zu enden, dass erneut Nachweise angefordert werden und keine Entscheidungen getroffen werden. Im Sozialleistungsbereich ist das besonders auffällig, weil es so gravierende Konsequenzen hat – zum Beispiel, wenn Kinder überhaupt nicht krankenversichert sind -, trifft aber letztlich für alle Behörden zu, die für geflüchtete Menschen zuständig sind.“
Abschiebungen als Scheinpolitik auf den Rücken Schutzsuchender
Erst Ende August brüstete sich die Innenbehörde mit einer Steigerung der Zahl von Abschiebungen aus Hamburg. Aussagen, die Behörde des Inneren konzentriere sich „sehr stark auf die Abschiebung von Straftätern“, verschleiern die Tatsache, dass der Großteil der Abgeschobenen niemals straffällig geworden ist und sich unter ihnen mehr als 11 Prozent Kinder befinden. Doch auch grundsätzlich ist die Kategorie des sogenannten „straffällig geworden Ausländers“ höchst fragwürdig, denn Menschen ohne deutschen Pass werden bekanntermaßen bereits bei geringen Vergehen wie mehrfaches Fahren ohne Fahrschein dazugezählt. Für jedes Vergehen sollte für Menschen ohne deutschen Pass ebenfalls die Resozialisierung im Strafvollzug statt Abschiebung gelten. Die Aussage der Hamburger Innenbehörde lenkt zudem von den menschenunwürdigen und problematischen Umständen der Abschiebungen ab, wie sie regelmäßig durch die Abschiebebeobachtung am Hamburger Flughafen dokumentiert werden. „Die Betonung dieser Aussage befüttert allenfalls populistische und rassistische Diskurse, sie löst kein Problem dieser Stadt, wie etwa bezahlbare Mieten für alle, und will vergessen machen, dass diese Menschen unsere Mitbürger*innen sind, die sicher und selbstbestimmt in Hamburg leben wollen“, so Cagic vom Café Exil.
Wir fordern:
- Die Bezahlkarte für Geflüchtete muss abgeschafft werden, in Hamburg und bundesweit. Stattdessen sollen Empfänger*innen von Asylbewerberleistungen von ersten Tag des Bezugs das Existenzminimum auf ein frei verfügbares Basiskonto erhalten.
- Abschiebungen müssen sofort eingestellt und eine teure Scheinpolitik beendet werden. Die Ressourcen sollen für eine gleichberechtigte Teilhabe von Geflüchteten und Migrant*innen als Hamburger Mitbürger*innen eingesetzt werden.
- Alle politisch Verantwortlichen in Hamburg und bundesweit müssen xenophobe, populistische und rassistische Diskurse auf Kosten Schutzsuchender und Mitbürger*innen sofort beenden und sich der Verantwortung für geflüchtete Menschen sowie der Realität von Migration konstruktiv stellen.